Vers
 VEDA 
jñānena tu tad ajñānam yeṣāṃ nāśitam ātmanaḥ | teṣām ādityavaj jñānaṃ prakāśayati tat param
„Wie die Sonne Dunkelheit vertreibt und alles erleuchtet, so zerstört göttliches Wissen Unwissenheit und enthüllt die transzendentale Absolute Wahrheit.“ — Bhagavad-Gītā 5.16    

Karma und Reinkarnation

Karma bedeutet Handlung, Aktion, Tätigkeit, Arbeit. Im allgemeinen erzeugen Aktionen bestimmte Reaktionen. (Fromme und sündhafte) Handlungen sind wie Samen. Wie jeder Same zu gegebener Zeit eine bestimmte Frucht hervorbringt, so erzeugen Handlungen zu gegebener Zeit bestimmte Reaktionen (karmaphala). Die Früchte mancher Handlungen reifen schnell und man erhält sie sofort oder später im Leben, andere reifen langsam und man erhält sie erst im nächsten Leben. Alles, was von uns ausgeht, kommt in ähnlicher Weise auf uns zurück. Wenn ich z.B. jemanden beraube, werde ich irgendwann selbst beraubt werden; das Leid, das ich anderen Lebewesen zufüge, werde ich irgendwann selber tragen müssen. Genauso werde ich irgendwann (in diesem Leben oder im nächsten) – und zwar ohne mich dafür extra bemühen zu müssen – das zurückbekommen, was ich freiwillig gerne gegeben habe. Das ist das Gesetz des karma. „Was man sät, das wird man ernten“, „wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“, „wer gerne gibt, dem wird gegeben; wer stiehlt, der wird bestohlen“.

Jemand mag heute große Reichtümer besitzen und morgen (d.h. später in diesem Leben oder im nächsten Leben) mag er bettelarm sein. Jemand mag heute ein Herrscher sein und morgen ein Knecht. Jemand mag heute Ansehen und materielle Freuden genießen und morgen mag er verachtet sein und leiden. Törichte Menschen machen gerne andere Menschen, das Schicksal oder den „lieben Gott“ für ihre Schwierigkeiten und Leiden verantwortlich, weil sie unwissend sind und selbst keine Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen wollen. Um das Gesetz des karma zu begreifen, muss man Wiedergeburt in einem anderen Körper, Seelenwanderung, akzeptieren.

Es gibt unsichtbare Zeugen für unsere Handlungen. Gute Handlungen – schlechte Handlungen, religiöse Handlungen – irreligiöse Handlungen, fromme Handlungen – sündhafte Handlungen werden alle von der Überseele im Herzen registriert, die dann dafür sorgt, dass der Handelnde zu gegebener Zeit in entsprechenden Lebensumständen seine Reaktionen erhält. Wenn z.B. jemand unter den Taten von Barbaren körperlich oder seelisch zu leiden hat, ist er zwar letztlich selbst die Ursache dieser Leiden, das bedeutet aber nicht, dass seine Peiniger unschuldig sind. Sie werden früher oder später genauso unter ihren Taten zu leiden haben, wie ihre Opfer.

Welche Art von Handlungen man ausführt, ist abhängig vom Zustand des Geistes unter dem Einfluss der drei Erscheinungsweisen sattva, rajas und tamas.

Die karmischen Samen können zerstört werden durch bestimmte Bußen, Entsagungen, Pilgerreisen, Baden in heiligen Flüssen und andere religiöse Handlungen. Wenn sie zerstört sind, braucht man ihre Früchte nicht zu kosten. Die karmischen Reaktionen auf sündhafte Handlungen immer wieder durch entsprechende religiöse Handlungen zu neutralisieren, ist jedoch keine Lösung des Problems, da das Rad der Handlungen ständig rollt und dadurch nicht angehalten werden kann. Bevor man für eine sündhafte Handlung ausreichend Buße getan hat, hat man schon wieder zehn neue sündhafte Handlungen begangen. Ob sündhafte Handlungen oder fromme Handlungen – durch karma wird die spirituelle Seele auf jeden Fall an die materielle Welt gebunden und erleidet die Qualen von Geburt, Krankheit, Alter und Tod.

Man muss beim Höchsten Herrn Zuflucht suchen und sich in Seinem hingebungsvollen Dienst beschäftigen. Das ist die einzige Möglichkeit die Wurzel aller Verstrickung in karma und karmische Reaktionen – die Neigung unabhängig vom Herrn zu genießen – zu zerstören.

Zum Thema karma siehe auch: 5 Themen des Wissens.


Der nachfolgende Text ist ein Auszug eines Kapitels aus AYURVEDA-LEHRBUCH – Caraka-Saṃhitā-Kompendium (Sūtrasthanam 4.3 „Über 3 Bestrebungen“). In diesem Kapitel werden die drei Bestrebungen pranaisana (das Bestreben, das Leben bzw. die Gesundheit zu erhalten), dhanaiṣana (das Streben nach Wohlstand) und paralokaiṣana (das Bestreben auf die himmlischen Planeten erhoben zu werden bzw. eine bessere Geburt nach diesem Leben zu erlangen) besprochen. Nach der Philosophie der Veden ist dieses Leben nur eines von vielen Leben, die man zu durchleben hat, genauso wie ein Tag eines Lebens nur einer von vielen ist. Und wie man sich heute bemüht, dass es einem morgen besser oder wenigstens nicht schlechter geht als heute, so sollte man sich in diesem Leben bemühen, dass es einem im nächsten Leben besser oder wenigstens nicht schlechter geht. Die nächste Existenz ist abhängig von den Handlungen, die man in diesem Leben ausführt. Lebt man unverantwortlich und bemüht sich nicht, den Einfluss von rajas und tamas zu überwinden, der im kali-yuga so stark ist, kann es passieren, dass man unter elenden Umständen als Mensch wiedergeboren wird oder gar hinabsinkt im Evolutionszyklus und als ein Tier oder gar als Pflanze wiedergeboren wird. Lebt man aber vernünftig und befolgt die religiösen Prinzipien, die in Bhagavad-gītā, Manu-Saṃhitā, Mahābhārata und anderen vedischen Schriften aufgezeichnet sind, kann man zu höheren, himmlischen Planeten erhoben werden.

paralokaiṣana

Von dharma1 hängt nicht nur dhanam (Wohlstand, Reichtum) in diesem Leben ab, sondern auch der nächste Körper, die nächste Geburt. Ob man als Mensch wiedergeboren wird, als Tier oder Halbgott, ob man aufsteigt oder absteigt im Evolutionszyklus, hängt vom Verhalten in diesem Leben, von der Achtung bzw. Nichtachtung von dharma ab. Paralokaisana, das Bestreben auf den himmlischen Planeten wiedergeboren zu werden, wird auch svargakāma genannt. Kāma bezeichnet sowohl Verlangen nach Genuss als auch Genuss selbst. Den höchsten Genuss in dieser Welt erlangt man auf svargaloka, den himmlischen Planeten.

Gibt es überhaupt ein Leben nach dem Tod? Ist Reinkarnation (punarjanman) nicht einfach nur eine Vorstellung? Die Zweifel sind berechtigt, denn man kann Wiedergeburt nicht wahrnehmen, kaum einer kann sich auch nur an ein einziges vergangenes Leben erinnern, und die Aussagen derer, die dies behaupten, sind kein Beweis. Unsere sinnliche Wahrnehmung ist begrenzt, deshalb müssen wir uns, wenn es um nicht-wahrnehmbare, metaphysische Dinge geht, an die Aussagen der offenbarten Schriften, Logik und Folgerung halten. Selbst materielle Dinge können aufgrund verschiedener Faktoren wie extreme Nähe, extreme Ferne, Bedeckung, Unfähigkeit der Sinne, Ruhelosigkeit des Geistes, Vermischung mit ähnlichen Dingen, Winzigkeit etc. nicht wahrgenommen werden, ganz zu schweigen von metaphysischen Dingen. Die Verbindung der materiellen Elemente des Körpers, das Leben, ist abhängig von der Gegenwart des ātmān (die spirituelle Seele) im Körper. Verlässt ātmān den Körper, trennen sich die Elemente wieder. Die Śāstras erklären, dass die unpersönliche Auffassung vom Leben, alles sei aus Zufall entstanden, es gäbe keine Ursache und keinen Verursacher, kein Selbst, keinen Höchsten Kontrollierenden, keine Wissenden, keine Götter, kein karman und kein karmaphala (karmische Reaktionen), die größte aller Sünden ist. Man sollte diese unpersönliche, falsche Sicht aufgeben und die Realität mit den Augen der Śāstras sehen (śāstra-caksuh).2

Vier Methoden der Aneignung von Wissen

Alle Dinge können zweifach unterteilt werden in existent (sat) und nichtexistent (asat). Für ihre Examination gibt es vier Methoden: (1) autoritative Aussagen (āptopadeśa), (2) Wahrnehmung (pratyakṣa), (3) Folgerung (anumāna) und (4) Vernunft oder Logik (yukti).

Definition von āpta

Als āpta werden diejenigen bezeichnet, die frei sind von rajas und tamas, die die Kraft der Entsagung und Wissen besitzen, deren Wissen defektlos und ewig universell gültig ist. Da sie frei sind von rajas und tamas, sind ihre Aussagen wahr und erhaben über jeden Zweifel.

Definition von pratyakṣa

Wissen, das durch gegenwärtigen Kontakt von Selbst, Intelligenz, Geist und Sinnen mit den Sinnesobjekten erlangt wird, wird pratyakṣa genannt.

Definition von anumāna

Anumāna bedeutet Folgerung und basiert auf vorheriger Wahrnehmung. Es ist von dreifacher Art und bezieht sich auf die drei Zeiten Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Man kann ein bedecktes Feuer vom Rauch ableiten, einen Fötus von sexueller Vereinigung und die kommende Frucht vom Samen. Aus dem Anblick einer Frucht folgert man die Ursache der Frucht.

Definition von yukti

Man kann beobachten, dass das Wachstum von Getreide von der Kombination der Faktoren Wasser, Pflügen des Feldes, Saat und Klima abhängt, das Wachstum des Fötus von der Kombination der dhatus und die Erzeugung von Feuer vom Feuerstein, Feuerstock und Reibung des Stocks am Stein. So beseitigen die vier Beine der Therapie Krankheiten, wenn sie in Kombination und vernünftig angewandt werden. Yukti bedeutet das Wissen, das die Dinge durch eine Kombination vieler verursachender Faktoren erzeugt sieht.

Diese vier – āptopadeśa, pratyakṣa, anumāna und yukti3 – sind das Instrument und die Methode der Examination, durch das alles – existentes und nichtexistentes – untersucht werden kann. Und diese Methoden liefern den Beweis, dass Reinkarnation (punarjanman) wahr ist.

Beweis für Wiedergeburt durch āptopadeśa

Autoritative Schriften sind śruti (die Vedas) und smṛti (Schriften, die auf den Vedas basieren), die von āptas zum Wohl der Menschen verfasst und die von allen anderen āptas anerkannt sind. Aus den autoritativen Schriften geht hervor, dass dana, yajña, satya, tapas, ahimsa und brahmacarya (Wohltätigkeit, religiöse Opfer, Wahrhaftigkeit, Entsagung, Gewaltlosigkeit und sexuelle Enthaltsamkeit4) zu vollkommenem Wohlbefinden und zur Befreiung aus saṃsāra (Kreislauf von Geburt und Tod) führen und dass denjenigen, die ihre mentalen Defekte nicht überwunden haben, punarbhava (Wiedergeburt) gewiss ist.

Ein Beispiel für eine autoritative Schrift, die Reinkarnation erklärt, ist die Bhagavad-gītā. Im 2. Kapitel, Vers 13 heißt es:

„So wie die verkörperte Seele in diesem Körper fortgesetzt von Kindheit zu Jugend und zu Alter wandert, so geht die Seele beim Tod in einen anderen Körper ein.“

Und in Vers 22 unterweist uns der Höchste Herr mit folgenden Worten:

„Wie ein Mensch alte Kleider ablegt und neue anzieht, so gibt die Seele alt und unbrauchbar gewordene Körper auf und nimmt neue materielle Körper an.“

Beweis für Wiedergeburt durch pratyakṣa

Durch Wahrnehmung lässt sich beobachten, dass Nachkommenschaft den Eltern unähnlich ist, dass Unterschiede in der Stimme, Physiognomie, Geist, Intellekt, Schicksal bestehen. Eine Person wird in einer gehobenen und eine andere in einer niedrigen Gesellschaftsschicht geboren. Der eine erlangt Glück, der andere Leid, die Lebensspanne ist unterschiedlich. Die Neigung der Neugeborenen zu lachen, weinen, saugen an der Brust der Mutter etc., das Erlangen unterschiedlicher Resultate trotz ähnlicher Handlungen, intellektuelle Interessen, Neigungen und Abneigungen – all dies deutet auf ein vergangenes Leben hin.

Beweis für Wiedergeburt durch anumāna

Es lässt sich folgern, dass die Aktionen des Selbst unzerstörbar sind und dass das Erlangen der Reaktionen unvermeidbar ist. Dies nennt man Schicksal. Die Wiedergeburt – gleich welcher Form – ist das Resultat vergangener Handlungen. Handlungen, die man in diesem Leben ausführt, erzeugen den nächsten Körper. Ein Leben geht aus einem vergangenen Leben hervor und erzeugt ein weiteres, genauso wie Früchte aus Samen hervorgehen und Früchte wieder neue Samen hervorbringen.

Beweis für Wiedergeburt durch yukti

Und was ist der logische Beweis für Reinkarnation? Nichts ist ohne Ursache, eine Sache geht immer aus einer anderen hervor. Der Fötus wird durch die Kombination von sechs dhatus gebildet, Aktion findet statt durch die Verbindung von Handelndem und Instrument der Handlung. Karmaphala (Resultat der Handlung) geht aus karman (Handlung) hervor und nicht aus akarman (Nichthandlung). Es gibt kein Wachstum eines Keimes ohne Samen. Karmaphala ist immer im Einklang mit karman. Einer bestimmten Handlung folgt ein bestimmtes Resultat, genauso wie aus einem bestimmten Samen eine bestimmte Pflanze wächst oder aus einer bestimmten Blüte eine bestimmte Frucht hervorgeht.

Wenn man durch die vier Methoden der Wissensaneignung und Examination von Reinkarnation überzeugt worden ist, wird man sich sein Leben lang bemühen, im Einklang mit den Śāstras zu handeln, so dass eine bessere Geburt – sei es unter Menschen oder auf höheren Planeten unter Halbgöttern – die Folge ist. Letztlich kommt es jedoch darauf an, das höchste Reich der Freiheit und Glückseligkeit, das Königreich Gottes, von dem es keine Wiederkehr gibt, zu erreichen. Damit ist das Bestreben nach „der anderen Welt“ erklärt.


Anmerkungen

1 Erfüllung religiöser Pflichten in varṇa und aśrama im vedischen Gesellschaftssystem.

2 Śāstra-cakṣu – „mit den Augen der (vedischen) Schriften sehen“.

3 Yukti ist so eng mit anumana verbunden, dass man genausogut von drei Methoden sprechen kann. In der Tat wird in der Vimāna-Sektion der Caraka-Saṃhitā im Kapitel über die drei pramāṇas (Quellen der Wissensaneignung) yukti nicht extra behandelt.

4 Der Begriff brahmacarya bedeutet nicht völlige sexuelle Enthaltsamkeit, sondern Geschlechtsverkehr nur zur Zeugung von guten Nachkommen.